Pfarrpartnerschaft
Graz - Hl. Blut und Pécs - Szent Bertalan
Das Jahr 1989 ist in die Geschichte als „annus mirabilis“, als wunderbares Jahr, eingegangen: nach Jahrzehnten kommunistischer Herrschaft in vielen Staaten Osteuropas eingeschnürt durch den „Eisernen Vorhang“ mit Stacheldraht, verminten Grenzstreifen und Wachtürmen sind die diktatorischen Regimes zusammengebrochen und konnten demokratische Strukturen aufgebaut werden. Die Jahre seit dem Zweiten Weltkrieg waren auch für die Christen in unserer Nachbarschaft in Jugoslawien, Ungarn, der Tschechoslowakei eine schwere Zeit: das Wirken der Kirchen war behindert und konnte sich nur sehr eingeschränkt entfalten. Immer wieder wurden Christen und ihre Seelsorger auch verfolgt.
Nun aber – ab 1989 - waren die Grenzen wieder von beiden Seiten überschreitbar. Auch wir Österreicher konnten trotz der verschiedenen Sprachen und der lokalen Eigenart der Menschen und der Länder entdecken, dass uns eine jahrhundertelange Geschichte und der gemeinsame Glaube verbinden.
1989 wurde eine Städtepartnerschaft zwischen Graz und Pécs, einer Stadt im Südwesten Ungarns, die auch den Namen „Fünfkirchen“ getragen hat, begründet. Der damalige Stadtpfarrpropst Karl Hofer hat parallel dazu eine Pfarrpartnerschaft zwischen der Grazer Stadtpfarrkirche zum Heiligen Blut und der Stadtpfarrkirche von Pécs zum Hl. Bartholomäus angeregt. Zwischen Graz und Pécs gibt es Parallelen: beide haben ein vom europäischen Süden geprägtes Flair, sind Universitätsstädte; ähnlich wie in Graz befindet sich auch in Pècs die Stadtpfarrkirche nicht weit entfernt von der Bischofskirche. Die beiden Stadtpfarrer – Kele Pal und Karl Hofer – haben sich freundschaftlich gefunden, wofür hilfreich war, dass Pfarrer Kele auch gut deutsch gesprochen hat.
Partnerschaft heißt natürlich auch: gegenseitige Hilfe. Propst Hofer konnte aus Mitteln der Grazer Stadtpfarre finanziell z.B. bei der Renovierung des Kalvarienberges in Pécs helfen. Für uns Österreicher war in der Begegnung mit den Christen aus den Nachbarstaaten deren Glaubensstärke, die sie auch in den Jahren der Verfolgung und Benachteiligung bewiesen haben, beeindruckend.
Ich selbst bin 1999 als Nachfolger von Propst Hofer Pfarrer der Grazer Stadtpfarre geworden. Man hat mich bald auch über die Partnerschaft der beiden Pfarren informiert. Pécs war mir schon bekannt, weil wir nach dem steirischen Katholikentag 1981 am „Katholikentagskreuz“ auf dem Platz der Versöhnung im Stadtpark noch vor dem Jahr 1989 alljährlich ein Friedensgebet abgehalten haben. Wir wollten dazu einmal den damaligen Bischof von Pécs, Jozsef Cserhati, als Prediger einladen und sind dazu nach Ungarn gefahren. Der Bischof wäre gerne gekommen und hätte auch eine Ausreisegenehmigung erhalten, wollte aber die Gelegenheit nutzen, dass ihn auch der Domchor seiner Kathedrale nach Graz begleitet. Wir hätten uns sehr gefreut. Das damalige Regime hat einen solchen Ausflug in die Freiheit aber nicht genehmigt – so hat auch der Bischof seine Zusage zurückgezogen.
Im Jahr 2001 hat die Grazer Stadtpfarre eine Pfarrwallfahrt zu unserer Partnerpfarre unternommen und eine herzliche Aufnahme gefunden. Pécs ist ein alter Kulturboden: man findet schöne Reste von Bauten aus der Römerzeit. Die Bischofskirche ist als markante vieltürmige romanische Kirche weithin sichtbar. Ursprünglich ist auf dem Platz der jetzigen Pécser Stadtpfarrkirche eine dem hl. Apostel Bartholomäus – Szent Bertalan – geweihte gotische Kirche gestanden, die von den Osmanen im 16. Jahrhundert zerstört wurde. Die Türken haben darauf eine Moschee gebaut, die nach dem Ende der Herrschaft der Türken im Jahr 1702 von den Jesuiten in eine katholische Kirche umgewandelt wurde.
Zum mitteleuropäischen Katholikentag 2004 in Mariazell konnte eine große Pilgerschar aus Pécs nach Österreich kommen und wurde zunächst in der Grazer Stadtpfarre willkommen geheißen – und nach dem Unwetter in Mariazell gut versorgt. Seitdem gibt es regelmäßige Besuche in Pécs und in Graz. 2009 hat es wieder einen Pfarrausflug nach Pécs gegeben, bei dem auch eine Gruppe der Gehörlosen mit der unvergessenen Frau Lisl Laurin teilgenommen hat. Der Grazer Stadtpfarrhof konnte auch einem ungarischen Studenten, Zsolt Szalasy, während eines Gastsemesters und Praktikums Unterkunft bieten; Zsolt ist seitdem – auch mit seiner Frau und seinen Kindern - ein immer wieder herzlich willkommener Gast in Graz – und kundiger Gastgeber und Touristenführer in Ungarn.
Die Partnerschaft zwischen unseren Pfarren hat auch den Wechsel der jeweiligen Pfarrer ausgehalten und überdauert. Eine solche Partnerschaft, die auch sprachliche Barrieren überwindet und unterschiedliche Glaubenserfahrungen vermittelt, ist ein schönes Zeichen der Einheit in unserer katholischen Kirche.
Heinrich Schnuderl