Kirche
Die Stadtpfarrkirche in Graz ist ein Ort der Begegnung mit Gott und den Menschen, der mitten im Herzen der Stadt eine Brücke zwischen Glaube und Kultur schlägt. Sie lädt dazu ein, für einen Moment innezuhalten, zur Ruhe zu kommen und neue Kraft zu schöpfen. Die Kirche verbindet auf eindrucksvolle Weise Tradition mit Offenheit und schafft so einen Ort, der sowohl spirituell als auch kulturell bereichert.
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Die Stadtpfarrkirche zum Hl. Blut im Überblick
Äußeres Erscheinungsbild
Einen kraftvoll-beschwingten Akzent in der belebten Herrengasse inmitten der Grazer Altstadt setzt der barocke Fassadenturm der Stadtpfarrkirche. Der Dachreiter nach dem Entwurf von Josef Stengg mit seinem mächtigen Kupferhelm krönt in barocker Dynamik die Kirchenfront. Erhaben stehen die Sandsteinfiguren der Heiligen Johannes Nepomuk, Ivo sowie Petrus und Paulus in Nischen über den Vorbeieilenden der betriebsamen Geschäftsstraße. Am Giebelaufsatz künden Frauengestalten und Engelputti von den drei göttlichen Tugenden. Glaube, Hoffnung und Liebe. Das barocke Erscheinungsbild der Fassade lässt kaum vermuten, dass sich dahinter ein gotischer Raum im Stil der Bettelorden verbirgt.
Der älteste Teil der Kirche
Betritt man die Kirche durch das kleine rechte Portal an der Fassade, so gelangt man in ihren ältesten Teil, der auf Betreiben Kaiser Friedrichs III. 1440 errichteten, ehemaligen Corporis-Christi-Kapelle. Diese „neu Capellen in der Judengassen“ – Friedrich hatte zuvor die hier ansässigen Juden vertrieben – hat der Herrscher 25 Jahre nach ihrer Fertigstellung dem Orden der Dominikaner für ihre seelsorglichen Aufgaben in der Stadt übergeben. Die ursprünglich nur aus drei Jochen beim Eingang bestehende kleine Kapelle wurde von den Dominikanern nach Osten hin durch einen lang gestreckten Chor erweitert.
In der Barockzeit wurde die Johann-Nepomuk-Kapelle über ovalem Grundriss nach den Entwürfen des Grazer Architekten Josef Hueber daran angebaut. Wirkungsvoll barock-theatralisch inszeniert hängt in der Kapelle das großartige Bild der Aufnahme Mariens in den Himmel vom venezianischen Meister Tintoretto und seiner Werkstatt. Im Altaraufsatz ist ein ausdrucksstarkes spätgotisches Kruzifix eingefügt, von dem nach Kriegsbeschädigung nur der Kopf erhalten blieb und dessen Corpus ergänzt werden musste.
Vom Hauptraum der Kirche ist das Südschiff vom steirischen Künstler Fritz Hartlauer sensibel durch Stahlgitter getrennt worden. Durch künstlerische Kontemplation hat er zum Motiv der „Urzelle“ gefunden, das seine Kunst formal, aber auch konzeptuell bestimmt. In diesem Zellenmotiv, von dem er die ganze Schöpfung durchdrungen sieht, zeigen sich ihm Mensch und Natur in einer spirituellen göttlichen Ordnung verankert und bleibend verbunden. Es fügt sich, dass diese Gitter als luzide Seitenwand einen Raum, des Gebetes begrenzen, der den ganzen Tag über bis spät in die Nacht von Gläubigen zum kontemplativen Innehalten und Verharren vor dem Tabernakel aufgesucht wird.
Hauptraum im Geist der Bettelordensgotik
Der eigentliche Hauptraum der Kirche - eine nach dem Vorbild der Dom- und der Franziskanerkirche gestaltete weite Halle mit einem schmalen lang gestreckten Chor- atmet den Geist der Bettelordensgotik. Noch stärker als in der heutigen Kathedrale haben die Dominikaner als Bauherren hier die Konzeption einer klar überschaubaren, einheitlichen Halle betont, über die sich ein durch verschiedenste Rippenformationen akzentuiertes Gewölbe spannt, das die Raumgrenzen verschleift und zur Vereinheitlichung beiträgt. Am schmalen, hochgestreckten Triumphbogen, am Übergang vom Kirchenschiff zum Mönchschor muss man sich wohl ursprünglich einen Lettner mit Altar als Raumteiler vorstellen.
Erhebung zur Stadtpfarrkirche
Die Dominikaner mussten die Kirche und das Kloster räumen, nachdem man die ehemalige Pfarrkirche St. Ägyd – die heutige Kathedrale – den Jesuiten übergeben hatte und eine neue Pfarrkirche für Graz benötigte. 1585 wurde also das Gotteshaus zur Stadtpfarrkirche erhoben.
Neuausstattung in der Barockzeit und Regotisierung im 19. Jahrhundert
In der Barockzeit wurde die nunmehrige Haupt-und Stadtpfarrkirche mit qualitätsvollen Altären prächtig ausgestattet, von denen allerdings nach einer Regotisierung am Ende des 19. Jahrhunderts nichts erhalten geblieben ist.
Neue Birkle-Glasfenster in den 1950er Jahren
Heute stammt nahezu die gesamte Ausstattung der Kirche aus der Zeit der Neugotik. Nach Kriegszerstörungen hat die Kirche im Chor in den 50er Jahren neue Glasfenster von der Hand des Künstlers Albert Birkle erhalten. Die Fenster, die den Chor in mystisches Licht tauchen, in starkfarbiger, expressiver Formensprache, Bezug nehmend auf das Patrozinium der Kirche zeigen Szenen aus der Passion Jesu und seiner Auferstehung. An den südlichen Chorfenstern sieht man alttestamentliche Vorbilder des Geschehens auf Golgotha: das Opfer des Hohen Priesters Melchisedek, die Aufrichtung der ehernen Schlange und das Opfer Abels. Birkle, dessen Kunst unter der nationalsozialistischen Herrschaft als entartet galt, hat wohl aus der Bitternis der Kriegserfahrungen Porträts der Diktatoren Hitler und Mussolini den Peinigern Christi im unteren Teil des linken Chorfensters zugesellt. Die Chorfenster werden weitergeführt im Fenster der Westwand über der Orgelempore, wo Birkle die Vollendung der Heilsgeschichte in der Wiederkunft Christi als Weltenrichter darstellt.
Rieger-Orgel
Beachtung verdient auch die 1970 vom Vorarlberger Meister Rieger geschaffene Orgel, die mit der Fülle ihrer Klangfarben zu den gelungensten und wohlklingendsten Werken ihrer Art in der Steiermark gehört.
Innenhof und angeschlossene Gebäude
Südlich an die Kirche angeschlossen gruppieren sich die ehemaligen Klostergebäude der Dominikaner – der heutige Stadtpfarrhof- um den stimmungsvollen „Brunnenhof“. Im östlichen und südlichen Teil der Gebäudehaben sich noch Reste des gotischen Kreuzganges erhalten.
Das "Kircheneck"
Zur Herrengasse hin dient heute ein ehemaliges Geschäftslokal als „Kircheneck“ der Großstadtseelsorge. Ehrenamtliche Mitarbeiter geben hier ganz im Sinne der Dominikaner, die sich von Anfang an der Stadtseelsorge verschrieben haben, Interessierten Auskunft über kirchenpraktische, aber auch religiöse und spirituelle Fragen: eine unaufdringliche Einladung zum Gespräch inmitten der betriebsamen Geschäftsatmosphäre der Grazer Innenstadt.
Aus: Alois Kölbl / Wiltraud Resch. Wege zu Gott. Die Kirchen und die Synagoge von Graz. Styria Verlag 2/2004. Hrsg. von der Stadtkirche Graz, S. 95-98.