Der Brunnenhof und das ehemalige Kloster
In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts wurde an der Südseite der Kirche mit der Errichtung eines u-förmigen Klosters um den heutigen Brunnenhof begonnen. Mehrere Umbauten ließen daraus den heutigen Stadtpfarrhof mit seinen um 1870 fertiggestellten Neorenaissance-Fassaden zu Herrengasse und Hans-Sachs-Gasse entstehen. Bemerkenswert ist an der Ecke zum Eisernen Tor die Nischenfigur der Gottesmutter Maria. Die aus Sandstein im 19. Jahrhundert geschaffene Figur stammt von Jakob Gschiel. Das Portal in der Hans-Sachs-Gasse entstand schon um 1742, vermutlich nach Entwurf von Josef Hueber.
Der rechteckige Innenhof ist direkt an die Südseite der Kirche angebaut und zeigt an Ost und Südseite die Reste des ehemaligen spätgotischen Klosterkreuzganges ( ca.1460 bis 1585). Seine 2009 nach Plänen des Architektenehepaares Hofrichter-Ritter erfolgte Neugestaltung knüpft an die Funktion des Areals bis 1439 als jüdisches Wohngebiet an der südlichen Stadtmauer von Graz an.
Die Anzahl der dunklen Bodenplatten – 144 – enthält biblische Symbolkraft: Sie ergibt sich aus 12 x 12, der Anzahl der Stämme Israels, multipliziert mit der Anzahl der Apostel Jesu Christi. Die Platten tragen metallene Buchstaben. Zusammengefügt ergeben sie den „Aaronsegen“, einen Segensspruch, der aus der Heiligen Schrift der Juden und Christen entnommen ist: „Der Herr segne dich und behüte dich. Der Herr lasse sein Angesicht über dich leuchten und sei dir gnädig. Der Herr wende sein Angesicht dir zu und schenke dir Heil.“ (Numeri 6,24-26)
Im Zentrum des Hofes befand sich einst ein mittelalterlicher Ziehbrunnen. An seiner Stelle steht heute der 1964 von Edwin Eder gestaltete Vier-Evangelisten-Brunnen. Bestehend aus einer freistehenden Marmorschale und einer konischen Pumpensäule, deren Aufsatz mit Bronzereliefs der vier Evangelisten und deren Symbolen geziert ist.
Zwischen den Strebepfeilern der Kirche haben drei großartige barocke Steinskulpturen ihren Aufstellungsort gefunden. Die in ihrem Schmerz berührend eindrückliche Statue der Gottesmutter Maria (Mater Dolorosa) mit einem Tränentüchlein in der rechten Hand wurde um 1720/1730 von Johann Jakob Schoy geschaffen. Sie gehörte einst wohl zu einer Kreuzigungsgruppe und wurde 1664 vom St.-Peter-Stadtfriedhof hierher übertragen. Die Sandsteinstatue daneben wurde 1741/1742 von Josef Schokotnigg gefertigt, besitzt allerdings einen erneuerten Kopf. Die Darstellung des Auferstandenen Jesus Christus war bis 1885 die Bekrönung des Hauptportals in der Herrengasse.
Die rechts befindliche Figurengruppe zeigt das Martyrium des hl. Johannes Nepomuk: Der Prager Generalvikar wird von einem der Schergen in die Moldau geworfen und ertränkt. Während der zweite mit empor gehobenem Blick und geballten Fäusten daneben steht. Gestik, Kleidung und dramatischer Ausdruck der aus Sandstein gehauenen Figuren zeigen die Könnerschaft des Bildhauers. Aus einer ehemaligen Inschrift ist dieser und die Stifterin bekannt. „1726. EVA ANGERIN EIN GEBOHRN SCHAZLIN: JOH: JACOB SCHOY FECIT.“ Wegen seiner Funktion als Brückenheiliger war die Gruppe einst an der Karlauer Brücke aufgestellt. 1900 wurde sie auf den Zentralfriedhof versetzt. Ehe sie 2009 im Brunnenhof eine neue Bleibe fand und nun an einen der Patrone der Stadtpfarrkirche erinnert.
Aus: Heimo Kaindl / Alois Ruhri. Stadtpfarrkirche Zum Heiligen Blut Graz. Verlag Diözesanmuseum Graz 2014. Hrsg. von Christian Leibnitz, S. 21-23.